Die Mafia in Mumbai

Der Angriff auf die drei prominenten Ziele Mumbais, das Oberoi Hotel, das Taj Hotel und das Nariman House, forderte 160 Tote, darunter 14 Polizei- und Sicherheitskräfte sowie 14 Terroristen; ein Täter wurde lebend gefaßt. Es gab etliche Hinweise darauf, u.a. auf Grund von vom Nachrichtendienst abgehörten Mobiltelefongesprächen, daß mindestens einige der Terroristen aus Pakistan kamen. Der Angriff hatte zum Zeitpunkt der Gespräche, die der pakistanische Außenminister zwecks Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Nachbarstaaten in Indien führte, begonnen.

Die öffentliche Erklärung des pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari, daß Indien kein Feind sei, sowie die aktive Zusammenarbeit Islamabads und Washingtons bei der Ausschaltung von Al Kaida- und Taliban-Führern in den Stammesgebieten an der afghanischen Grenze, schufen, wie Strategic Alert ausführt 1, eine Krise für die vom britischen MI6 gestützte Fraktion im ISI- Geheimdienst und für die militanten Islamisten. Pakistans Regierung hatte den »politischen Flügel« des ISI, ein sehr wichtiger Teil, am 26. 11. 08 aufgelöst. Dies war, schreibt Strategic Alert, der konkrete Auslöser, auch wenn die Angriffe schon seit längerem vorbereitet wurden. Die Logistik dazu lieferte wahrscheinlich Mumbais Gangsterboß Dawood Ibrahim, der in den 90er Jahren aus dem Land floh und jetzt unter dem Schutz des ISI in Karatschi lebt, dessen Netzwerk aber weiter sehr aktiv ist. Zardari, Kayani und die USA-freundliche Fraktion im ISI stecken nun in der Zwickmühle. Wenn sie versuchen, mit Hilfe der USA und Indiens der wachsenden  Bedrohung entgegenzutreten, käme es in Pakistan unmittelbar zu großen Gewaltausbrüchen. Gehen sie aber nicht auf die Forderungen Indiens und der USA ein, dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die MI6-Fraktion im ISI und die islamistischen Kämpfer die Kontrolle über die pakistanische Politik erlangen. Die Islamisten, die souveräne Nationalstaaten ablehnen, wollen eine militant-islamische Nation in Pakistan gründen und gleichzeitig die Voraussetzungen dafür schaffen, daß aus Indien ein »Hindustaat« wird. Sie wollen die Welt in islamische, christliche, jüdische und hinduistische Länder spalten, um dann die muslimische Welt gegen die »Ungläubigen« aufzubringen. Das ist ein weitgestecktes Ziel, aber viel hängt davon ab, wie die beteiligten Kräfte reagieren. So nutzen die Anhänger einer hinduistischen Erneuerung die Angriffe in Indien aus, um ihre Ziele zu propagieren, wobei kaum ein Beteiligter begreift, daß er damit den Islamisten in die Hände spielt. Wie sich die Ereignisse auf Indien oder Pakistan auswirken werden, ist völlig offen. In Indien könnten die Hindu-Fundamentalisten sie als Druckmittel gegen die 160 Mio. Muslime im Land verwenden. In Pakistan könnte es zu einem politischen Putsch kommen, der die Dschihad-Anhänger an die Macht bringt.
 
Zur Person Dawood Ibrahims schreibt die Bürgerrechtsbewegung Solidarät 2 unter anderem: Ein Artikel im Indian Express vom 29. 11. 08 weist auf Kreise des organisierten Verbrechens im Umfeld der »Drogen-GmbH« des britischen Empires als mögliche Drahtzieher der terroristischen Angriffe in Mumbai hin. Unter dem Titel: »Dawood hat logistische Unterstützung für die Mumbai-Attentäter gegeben«, identifizierte die Zeitung mit Dawood Ibrahim eine führende Figur in den Schmuggelgeschäften der südasiatischen Drogenbarone. Auch wenn er momentan von Karachi, Pakistan, und Dubai aus agiert, so war Dawood Ibrahim doch über Jahre hinweg die zentrale Mafiafigur in Mumbai und im indischen Bundesstaat Bihar an der Grenze zu Nepal. Er schmuggelte Gold nach Indien hinein und heraus und schuf Verbindungen zu den größten südasiatischen Opium-Netzwerken. Ibrahim wurde mit terroristischen Aktionen, wie 1999 der Entführung einer Air India Maschine, die in das von den Taliban kontrollierte Kandahar umgeleitet wurde, und 2001 mit dem Anschlag auf das indische Parlament in Neu Delhi in Verbindung gebracht. Seit 2003 ist Ibrahim auf Grund seiner Verbindungen zu Al Kaida und der in Indien und Pakistan angesiedelten Lashkar e-Taiba (LeT) in der Liste international gesuchter Terroristen des amerikanischen Außenministeriums aufgeführt. Außerdem werden ihm Kontakte zu Teilen des pakistanischen Geheimdienstes ISI nachgesagt, die auf das engste mit dem britischen Auslandsgeheimdienst MI6 verbunden sind. Die Goldschmuggelaktivitäten Dawood Ibrahims in Dubai sind mit Großbritanniens »off-shore«-Apparat der Geldwäsche verbunden. Diese »Geschäfte« existieren seit den Opiumkriegen des Britischen Weltreichs gegen China und Indien im 19. Jahrhundert. Amerikanischen Geheimdienstquellen zufolge sollen diese Offshoregeschäfte von britischen Steuerparadiesen in der Karibik und von der Isle of Man nach Dubai ausgedehnt worden sein, um eine Destabilisierung von Süd- und Südwestasien zu fördern. Nachdem sie einige Mumbai-Attentäter vernommen hatten, kamen indische Nachrichtendienstquellen zu dem Schluß, daß die Attacken nicht ohne maßgebliche Hilfe von innen möglich gewesen seien. Die nach wie vor mächtigen Elemente des Apparates von Dawood Ibrahim in der Unterwelt von Mumbai, die im großen Stil geschmuggeltes Gold durch Indiens Bollywood-Filmindustrie waschen, wurden jetzt offensichtlich von den indischen Behörden als Schlüssel zu den Attacken erkannt. Die Rolle des Dawood Ibrahim-Apparates und seiner Verbindung zu einem anderen durch Großbritannien geförderten führenden Terroristen, Ahmed Omar Sheikh, wurden von EIR, Executive Intelligence Review, schon vor acht Jahren hervorgehoben. Am 11. Januar 2001 hatten die Herausgeber von EIR ein Memorandum an die damalige Außenministerin Albright gerichtet. Dieses forderte eine offizielle Untersuchung des Außenministeriums, um zu bestimmen, ob Großbritannien in die Liste derjenigen Staaten, die den Terrorismus unterstützen, aufgenommen werden sollte. Das Memorandum stützte sich sowohl auf amerikanische als auch internationale Regierungsdokumente, welche die Unterstützung Großbritanniens für terroristische Organisationen nachwiesen. Es hieß darin, daß das Thema der britischen Unterstützung internationaler terroristischer Organisationen »kürzlich durch die Entführung einer Indian Airlines Maschine im Dezember 1999 und die Antwort Großbritanniens auf die Anfrage eines der dadurch freigepreßten Kaschmir-Terroristen, Ahmed Omar Sheikh, einen sicheren Unterschlupf in England zu finden, unterstrichen wurde. Sheikh, ein britischer Staatsbürger, war in Indien für seine Rolle bei der Entführung von vier Briten und einem Amerikaner im Jahr 1995 im November 1998 zu einer 5jährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Anfänglich hatte die britische Regierung ihm zugesichert, daß er sicher nach Großbritannien kommen könne und sie ihn nicht gerichtlich verfolgen oder nach Indien ausweisen würden.« Internationaler Druck auf London verhinderte in der Folge, daß Großbritannien sein Angebot aufrechterhielt. Sheikh war Schüler der privaten Forest School in London gewesen und wurde dann als Student der London School of Economics, LSE, nach Angaben indischer und amerikanischer Dienste vom MI6 angeworben und Anfang der 90er Jahre in Bosnien eingesetzt, bevor er in Südasien auftauchte. Nachdem er vom Balkan nach Großbritannien zurückgekehrt war, verließ er die LSE und flog in afghanische Trainingslager, von dort nach Indien, wo er die erwähnte Entführung 1995 durchführte. Nachdem er im Austausch während der Air India Entführung befreit wurde, blieb er in Afghanistan und ist jetzt wegen der Entführung und Ermordung des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl in pakistanischer Haft. Sheikh gehört auch zu den Hauptverdächtigen bei den Anschlägen vom 11. September.
 
Zum selben Thema schreibt Jürgen Elsässer 3: Indien fordert wegen des Mumbai-Terrors von Pakistan die Auslieferung von 20 Verdächtigen. Der US-Geheimdienstkoordinator Michael McConnell sieht die pakistanische Rebellengruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) hinter der Anschlagserie in der indischen Metropole Mumbai. »Die Gruppe, die unserer Ansicht nach (...) verantwortlich ist, verübte 2006 einen ähnlichen Angriff auf einen Zug« sagte McConnell am 2.12.08. Kurz zuvor hatte das indische Außenministerium Pakistan eine Liste mit Auslieferungsgesuchen von 20 angeblichen LeT-Kadern und Unterstützern übergeben. Unter den Gesuchten ist auch ein gewisser Ibrahim Dawood, den der einzige gefaßte Mumbai-Attentäter Ajmal Kasab als Drahtzieher angegeben haben soll. Seine Männer sollen die Überfahrt der Terroristen in einem Boot von Karatschi nach Mumbai organisiert haben. Der »Don« - so der Gangstername Dawoods - wird von Buchautor Albert King als »gefährlichster Mann der Welt« bezeichnet; der Publizist Ghulam Hasnain sieht in ihm einen »Top-Spion« Pakistans. Bewiesen ist jedenfalls, daß er einer der Top-Kriminellen des Subkontinents ist. In den achtziger Jahren begann er in Mumbai mit Glücksspiel, Drogen und Prostitution, ließ Rivalen aus dem Weg schießen und kaufte sich in die Bollywood-Filmindustrie ein. Der muslimische, aber mondäne Lebemann radikalisierte sich, als Ende 1992 ein fanatischer Hindu-Mob 2000 Muslime lynchte. Zur Vergeltung organisierte Dawood im März 1993 eine Anschlagserie in Mumbai, der 257 Menschen zum Opfer fielen, 1400 wurden verletzt. In der Folge soll er in Pakistan Unterschlupf gefunden haben. Während die US-Geheimdienste Dawood mit LeT und Al Qaida in Verbindung bringen, verschweigen sie ihre eigenen Beziehungen zu dem Gangster aus der Zeit des afghanischen Dschihads gegen die Sowjettruppen vor 20 Jahren. »Dawood unterstützte persönlich streng geheime US-Geldtransaktionen an die afghanischen Rebellen über amerikanisch-geführte Kasinos in Kathmandu« schreibt Yoichi Shimatsu, ehemaliger Redakteur der Tageszeitung Japan Times. Der Kaschmir-Experte geht davon aus, daß die Pakistanis den Gesuchten gar nicht ausliefern können, weil er mit US-Hilfe im Juni dieses Jahres nach Quetta im afghanisch- pakistanischen Grenzgebiet gebracht worden sei. »US-Diplomaten können Dawoods Rückkehr niemals erlauben. Er weiß einfach zu viel über Amerikas dunklere Geheimnisse in Südasien und am Golf, was die Beziehungen zwischen Indien und der USA erschüttern könnte.« Pakistan hat bereits angekündigt, keine Pakistanis an Indien auszuliefern, sondern ihnen höchstens im eigenen Land den Prozess zu machen. Dawood allerdings fiele nicht darunter, denn er ist indischer Staatsbürger.
 
1 Strategic Alert Jahrg. 22, Nr. 49 vom  4. Dezember  2008
Terror in Mumbai: Vorbote größerer Gefahren für den Subkontinent
2 http://www.bueso.de/news/hat-britische-drogen-gmbh-bei-attacke-mumbai-ihre-hand-im-spiel 30. 11. 08 Hat die britische »Drogen-GmbH« bei Attacke in Mumbai ihre Hand im Spiel?
3 http://infokrieg.tv/indien_terror_don_2008_12 4.html 4.12.08 Delhi jagt den Terror-Don - Gesuchter Gangsterboss Dawood hat auch mit der CIA kooperiert Von Jürgen Elsässer