Weiteres zur Bertelsmann-Stiftung

politonline d.a. Über die Bertelsmann-Stiftung ist bereits viel geschrieben worden. So ist sie auch Gegenstand des nachfolgenden Artikels von Peer Heinelt. Die Journalistenvereinigung Lobby Control schrieb z.B.: "Die Stiftung hat über 660 Mio." in Projekte gesteckt, die nach eigenen Angaben Einfluß auf strategische Räume in der Politik ausüben sollen. Über Modellprojekte, Studien und Konferenzen sowie persönliche Kontakte und Treffen mit Politikern nimmt die Stiftung politischen Einfluß auf den Entscheidungsprozess.«

Das online-Magazin Telepolis schreibt: »Dank der eingesparten Steuergelder hat die Stiftung inzwischen ein riesiges Politnetzwerk aufgebaut, mit dem sie Einfluß auf politische Entscheidungen nehmen kann und nimmt, lange bevor diese im Parlament verabschiedet werden. Damit wird eine Art ›Elitekonsens‹ im vorparlamentarischen Raum hergestellt, der kritische Stimmen bereits im Vorfeld eliminiert und so dafür sorgt, daß es zu großen gesellschaftlichen Debatten über viele Reformvorhaben gar nicht erst kommt.« [1] Wie demokratischein derartiger Prozeß ist, bedarf keiner Erläuterung. Fragwürdig allerdings ist der Fakt, daß es offensichtlich tatsächlich gelingt, Parlamentarier auf die Seite der von Bertelsmann erstellten Konzepte zu ziehen. Hält man sich die von Heinelt dargelegten Fakten vor Augen, so ergibt sich das Bild einer nicht unbeträchtlichen arroganten Verächtlichkeit gegenüber den von den Bevölkerungen der Länder - die zum Ziel versuchter Eingriffe der Stiftung werden - selbst vertretenen Belangen. Betrachtet man ferner die Vernetzung der Stiftung mit Beamten, Wissenschaftlern und Journalisten, so erklärt sich, daß dem Vorstoß, das zumeist milliardenschwere Vermögen von Stiftungen endlich zu besteuern, auch weiterhin keinerlei Aussicht auf Erfolg beschieden sein dürfte; dies obwohl die Regierungen genauestens darüber unterrichtet sind, daß diese von einer unglaublichen Überheblichkeit gezeichnete Art der Einmischung - deren sich die Stiftungen weltweit befleißigen - im großen ganzen von rein wirtschaftlichen Interessen des Westens bestimmt wird. 

Agenten des Wandels - Von Peer Heinelt

Der »Bertelsmann Transformation Index 2008« mißt die Länder der Welt nach dem Grad der Einführung neoliberaler Marktwirtschaft und bürgerlicher Demokratie. Bei Transformationsverweigerern und -nachzüglern muß nachgeholfen werden.


»Ein Gespenst geht in Europa um - das Gespenst des Kommunismus«, schrieben Karl Marx und Friedrich Engels 1848 im »Manifest der Kommunistischen Partei«. Wie die Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts fürchtet auch die Bertelsmann-Stiftung des Gütersloher Medienriesen nichts mehr als die soziale Revolution. Nur verortet sie deren gespenstischen Wirkungskreis nicht in Europa, sondern in Lateinamerika, genauer gesagt in Venezuela. Im unlängst erschienenen »Bertelsmann Transformation Index 2008« * wird dem als »populistischen Diktator« geschmähten venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez vorgeworfen, eine »sozialistische Revolution« durchzuführen. Diese manifestiere sich, so heißt es, in der »Nationalisierung« von in »strategischen Sektoren« tätigen Unternehmen (Telekommunikation, Versorgungsinfrastruktur, Stahlproduktion) sowie darin, die Privatisierung vormaliger Staatsbetriebe rückgängig zu machen und das »Recht auf Privateigentum« auszuhebeln - etwa durch die Übergabe brachliegender Ackerflächen an landlose Bauern. Laut Bertelsmann demonstriert die Regierung Venezuelas mit diesen Maßnahmen nicht nur ihre »mangelnde Bindung« an die »Idee« der Marktwirtschaft, sondern ihre »offen feindliche« Einstellung dieser gegenüber. Chávez' Ziel sei es letztlich, »den Kapitalismus als sozioökonomisches Modell zu überwinden«.


Nach 2003 und 2006 haben vom Bertelsmann-Konzern bestallte Wissenschaftler mittels des von ihnen entwickelten »Bertelsmann Transformation Index« (BTI) nun zum dritten Mal in Folge die Fähigkeit und Bereitschaft der Eliten in 125 Ländern Lateinamerikas, Afrikas, Asiens, und Osteuropas beurteilt, die dortigen Nationalökonomien gemäß den gegenwärtigen neoliberalen Vorstellungen der westlichen Metropolen zu »reformieren«. Auf einer Skala von 1 bis 10 werden sowohl der bereits erreichte »Stand der Entwicklung« (Statusindex) als auch die erbrachte »politische Steuerungsleistung« (Managementindex) auf dem »Weg zu Demokratie und Marktwirtschaft« bewertet. Das zentrale Kriterium hierbei ist laut Bertelsmann die Durchsetzung des »Privateigentums«, der conditio sine qua non einer jeglichen funktionierenden »Markt- und Wettbewerbsordnung«, sowie die Ausschaltung etwaiger innenpolitischer »Vetoakteure«. Staaten, die wie Venezuela nicht in diesem Sinne als »glaubwürdige und verläßliche Partner« des Westens agieren, werden als »Transformationsverweigerer« tituliert. Erstellt wurde der diesjährige BTI außer von den Forschern der Bertelsmann-Stiftung von Mitarbeitern des mit diesem eng verbundenen Centrums für angewandte Politikforschung (CAP) in München (siehe jW-Thema vom 31.8.2007); beteiligt waren unter anderem der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und die für die Umsetzung der deutschen »Entwicklungshilfe« zuständige bundeseigene Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Wie Bertelsmann mitteilt, wird der Index nicht nur von internationalen Finanzinstitutionen wie der Weltbank als »Referenzinstrument« eingesetzt, sondern dient ebenso der Bundesregierung zur Evaluation ihrer »Entwicklungszusammenarbeit« mit den Ländern der sogenannten Dritten Welt und zur Bewertung der dortigen Regierungsführung (Governance).


»Verweigerer« Venezuela

Während in Ländern wie Tschechien und Chile nach Auffassung der Bertelsmänner alles zum besten steht - Tschechien wird beim »Statusindex« ein Spitzenwert von 9,56 Punkten, Chile beim »Managementindex« ein Spitzenwert von 7,52 Punkten zugeschrieben, dürfte sich angesichts der unverhohlenen Hetze gegen den venezolanischen Staatspräsidenten Hugo Chávez selbst wohlmeinenden Lesern der Verdacht aufdrängen, die BTI-Autoren erblickten in diesem die Inkarnation des Bösen. Bereits in ihrem »Ländergutachten 2003« hatte die Bertelsmann-Stiftung einen »dramatischen Bedeutungsverlust der Parteien«, das »Aufkommen eines personalistisch-plebiszitären Führungsstils« und »wachsende Instabilität« in Venezuela konstatiert. Zähneknirschend mußten die Bertelsmänner seinerzeit eingestehen, Chávez' »politische Überlebensfähigkeit« unterschätzt und eine »in die Zukunft weisende politische Führungskapazität« noch nicht gefunden zu haben, wähnten das Land aber am »Rand von bürgerkriegsähnlichen Zuständen«. Die Hoffnung auf einen notfalls gewaltsam erzwungenen »Regimewechsel« schwang auch im BTI des Jahres 2006 mit: Zwar habe sich Chávez' »Salamitaktik«, revolutionäre Veränderungen auf dem Weg radikaler, aber allmählich durchgeführter Reformen zu erreichen, bisher als effektiv erwiesen, nur sei dieser Prozeß keineswegs »irreversibel«, hieß es. So sei dem venezolanischen Präsidenten eine neue interne Opposition erwachsen, da nicht alle seiner Verbündeten sein Bekenntnis zum Sozialismus teilten. Der Hinweis, daß auch Fidel Castro - ein weiterer hartnäckiger »Transformationsverweigerer« - erst einige Zeit vergehen ließ, bis er die kubanische Revolution zur sozialistischen erklärt habe, durfte dabei selbstverständlich nicht fehlen. Der aktuelle BTI nun charakterisiert die venezolanische Opposition schlicht als »unfähig«, im Dienste westlicher Interessen zu agieren. So habe Chávez mittlerweile erfolgreich sozialistische »Parallelstrukturen« in Wirtschaft und Verwaltung etabliert und sowohl Justiz als auch Massenmedien unter seine Kontrolle gebracht, weshalb Privatwirtschaft und ausländische Investoren mit einem ausgeprägt »feindlichen Geschäftsumfeld« konfrontiert seien. Doch damit nicht genug: Laut Bertelsmann folgen Bildung und Wissenschaft in Venezuela nahezu geschlossen den Vorgaben der politischen Führung. Chávez selbst habe erklärt, »kapitalistische Ideen« aus dem schulischen und akademischen Betrieb »verbannen« zu wollen. Mittels eines »uniformen Erziehungsprogramms« werde daher »uniformes Gedankengut« verbreitet, um den »Kollektivismus« in die Köpfe der Menschen »einzupflanzen«.


Besonders bedrohlich erscheint Bertelsmann offenbar die Option, daß andere lateinamerikanische Staaten dem Beispiel Venezuelas folgen- zuvorderst Bolivien unter Evo Morales und Argentinien unter Cristina und Néstor Kirchner. Die »Erschöpfung« des neoliberalen »Paradigmas« habe dazu geführt, »daß die sozioökonomischen Problemlagen und teilweise auch die damit verbundenen soziopolitischen Schieflagen zunehmend offensiv thematisiert werden (Chávez, Morales, Kirchner)«, wodurch »der Wert funktionierender demokratischer und marktwirtschaftlicher Institutionen aus dem Blick der politischen Agenda« gerate, erklären die BTI-Autoren. Angesichts extremer Armut und des Ausschlusses breiter Bevölkerungsschichten aus dem öffentlichen Leben halten sie die »Versuchung« der bolivianischen und der argentinischen Regierung, eine »radikale« Politik zu unterstützen, sogar für geradezu »verständlich«. Wie die Wissenschaftler weiter ausführen, nutze umgekehrt Venezuela seinen Erdölreichtum gezielt als »politische Waffe«, um für den Sozialismus in der Region und darüber hinaus »Reklame zu machen«. Als Beleg für diese These dienen ihnen verbilligte venezolanische Öllieferungen an Kuba, Nicaragua oder in die Armenviertel Bostons, New Yorks und Londons ebenso wie Caracas' Kooperation mit der verstaatlichten bolivianischen Ölindustrie. Da Venezuelas Präsident Chávez mit diesen Maßnahmen gezeigt habe, daß er seine »Vision des Sozialismus« nicht nur im eigenen Land, sondern in ganz Lateinamerika und darüber hinaus »auf der gesamten Welt« realisieren wolle, fordern die Mitarbeiter der Bertelsmann-Stiftung die Entwicklung einer »effektiven Gegenstrategie«. Die bürgerliche venezolanische Opposition wird hierfür wie bereits erwähnt als ungeeignet erachtet. Um den Einfluß Caracas' in der Region zu minimieren, sollen deshalb USA und EU den Ländern Lateinamerikas insbesondere auf dem Gebiet der Handelspolitik »entschlossen« gegenübertreten. Venezuela selbst, so die BTI-Autoren weiter, brauche eine »harte Anpassung« seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das Prinzip der demokratischen Willensbildung, das die Bertelsmann-Stiftung ansonsten gerne als einen Indikator für »gute Regierungsführung« (good governance) benennt, wird in diesem Zusammenhang negativ beurteilt: So habe die Ausübung von »Partizipationsrechte(n)« seitens der Bevölkerung »in den Andenländern zu massiven Mobilisierungen (ge)führt« und dadurch »die Anfälligkeit für populistische Strömungen erhöht«. Wo wie in Bolivien »neue soziale Bewegungen« die »Regierungspositionen« innehätten, würden sie sich »in teils radikaler Weise« gegen marktwirtschaftliche »Reformen« wenden und damit zur »Destabilisierung« des gesamten Kontinents beitragen, heißt es. Als Vorbild gilt Bertelsmann nach wie vor Chile, »wo ein Teil, aber eben nicht alle Wirtschafts- und Sozialreformen unter der Diktatur durchgeführt wurden«. Der chilenische General Augusto Pinochet hatte 1973 den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende ermorden lassen und dem Land danach mittels Beratung von Ökonomen der »Chicago School« - auf innenpolitischen Terror gestützt - das weltweit erste neoliberales Wirtschaftsregime oktroyiert. Deutsche Konzerne hatten dem Diktator seinerzeit zum blutigen Putsch gratuliert.


Neuordnung des Iraks und Afghanistans

Das Vorbild »Chile« wurde auch in einer Bertelsmann-Studie über die »Nachkriegsordnung« des von US-geführten Truppen besetzten Iraks aus dem Jahr 2003 bemüht; hier hieß es, daß das Land »(e)ine Radikalkur wie im Chile Pinochets (…) kaum verkraften (dürfte)«. Gleichwohl maßen die Autoren dem Irak eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Durchsetzung von »Demokratie und Marktwirtschaft« zu: »Ein Scheitern der Transformation im Irak würde nachhaltig alle weiteren Transformationsbemühungen weltweit beeinträchtigen. Nationale Eliten würden darin einen Anreiz sehen, sich gegen externe Auflagen zu stemmen.« Notwendig sei daher die »Rekrutierung einer neuen Führungsschicht«, denn nur eine solche könne die »Tradition der Aneignung und Umverteilung der Ölrente« brechen und die Gewinne aus dem Erdölgeschäft westlichen Konzernen zuführen. »Internationale Unterstützungsmaßnahmen« sollten in diesem Zusammenhang »die Loyalität der irakischen Bevölkerung sicherstellen« und »soziale Verwerfungen« verhindern. Die Planungen des Hauses Bertelsmann aus dem Jahr 2003 reichten weit über den Irak hinaus; sie betrafen den gesamten Nahen und Mittleren Osten. Um die »Glaubwürdigkeit des irakischen Transformationsprozesses« nicht zu »unterlaufen«, müsse »eine neuerliche Anstrengung zur Stabilisierung Afghanistans« unternommen werden, so der damalige Länderbericht, und selbst »die Option, Israel und Palästina zusammen unter UN-Protektorat zu stellen« war für die Autoren »angesichts des riskanten Prozesses im gesamten Nahen Osten kein Tabu«.

Mittlerweile sind die weitreichenden Neuordnungspläne für die irakische Wirtschaft und Gesellschaft einer vergleichsweise realistischen Einschätzung gewichen. So gilt der Irak den Autoren des aktuellen BTI als ein »Katastrophenfall der internationalen Politik«, als ein »failed state«, der »am gähnenden Abgrund eines totalen Bürgerkrieges« steht. Für höchst problematisch halten die Autoren die von den USA unterstützte »Etablierung mehr oder weniger ethnisch homogener Regionen mit weitreichenden Kompetenzen«; sollte diese Politik in Anbetracht eines »paralysierten Zentralstaates« fortgesetzt werden, bestehe die Gefahr einer »gewaltsamen Teilung« des Iraks. Auch die Neuordnungspläne für Afghanistan wurden mittlerweile revidiert. Während die Zahl der im Kampf gegen Aufständische gefallenen Soldaten der westlichen Besatzungstruppen ständig steige, sei das afghanische Regime gleichzeitig vollkommen »von ausländischer Hilfe abhängig«: »Ein Rückzug der internationalen Gemeinschaft würde den sofortigen Kollaps der staatlichen Institutionen herbeiführen«, meinen die BTI-Experten und warnen insbesondere vor dem Zusammenbruch von Armee und Polizei. Das Land sei einerseits auf dem besten Wege, ein »Drogenstaat« zu werden, andererseits könne die radikale »Ausrottung« des Schlafmohnanbaus die extreme »ländliche Armut« verstärken und zur weiteren Ausbreitung »starker antistaatlicher Empfindungen« unter der Bevölkerung beitragen, befürchtet die Bertelsmann-Stiftung. Um eine solche Entwicklung zu vermeiden, müßten zunächst einmal »ökonomisches Wachstum«, »starke Institutionen« sowie »politische und soziale Sicherheit« generiert werden: »Das aber wird Jahrzehnte dauern.«


Anleitung zum Jugoslawien-Krieg

Entwickelt wurde der BTI von einer Forschungsgruppe des 1995 gegründeten Centrums für angewandte Politikforschung (CAP) an der Ludwig-Maximilians-Universität München unter Leitung von Werner Weidenfeld. Der CAP-Direktor firmierte bis Ende 2007 als Mitglied des Vorstands und des Kuratoriums der Bertelsmann-Stiftung, von der das CAP zu etwa 20 %  finanziert wird. Zwar mußte Weidenfeld nach Untreuevorwürfen seinen Vorstandsposten räumen, auf die enge Zusammenarbeit zwischen Bertelsmann und CAP hatte dies jedoch keinen Einfluß. Nach wie vor gehört Weidenfeld zu den Mitgliedern des für die Ausarbeitung des BTI verantwortlichen »BTI-Board«. Nach eigener Aussage unterhält das CAP ein »weit gespanntes Netzwerk« von »Partnerschaften«, deren Spektrum »von langfristiger finanzieller Förderung über projektbezogene Kooperationen bis hin zu Austauschprogrammen für Wissenschaftler« reicht. Zu den »Partnern« des CAP zählen neben der Weltbank, dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, dem Auswärtigen Amt und anderen Ministerien auch die EU-Kommission, partei- und wirtschaftsnahe Stiftungen sowie Massenmedien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung oder das DeutschlandRadio. Einmal im Jahr ehrt das CAP »langjährige Kooperationen mit hervorragenden Experten« durch die Berufung zum »CAP-Fellow«; zu den Trägern dieses Ehrentitels zählen Ministerialbeamte und Wissenschaftler ebenso wie führende Journalisten, unter ihnen Peter Frey, der Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios. Wie die vom ZDF mit der Einrichtung des Online-Dienstes ZDFgeothek beauftragte Werbeagentur Bungart Bessler mitteilt, basieren die in der »­ZDFgeothek« präsentierten Informationen über die Staaten dieser Welt auf den im Rahmen des BTI erstellten Analysen.


2006 wurde Weidenfeld wie bereits 1996 von seinen Kollegen der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) zum »einflußreichsten Politikberater der Zunft« gekürt; das Magazin Cicero hält ihn einem aktuellen Bericht zufolge für einen der »wirkungsmächtigsten Wissenschaftler«. In den Jahren 1987 bis 1999 wirkte der Politologe und Träger des Bundesverdienstkreuzes direkt als Berater der Bundesregierung; in dieser Funktion gab er 1996 ein »Gutachten« über die »Nationalitätenprobleme und Minderheitenkonflikte« in Jugoslawien in Auftrag. Der 2002 verstorbene Kölner Professor für »Ostrecht« und Freund der deutschen »Vertriebenen«, Georg Brunner, schrieb darin folgendes: »Der akuteste Krisenherd, der mit Hilfe der bereits deutlich genug demonstrierten Handlungsunwilligkeit des Westens bald zur Explosion kommen wird, ist der Kosovo, dessen albanische Mehrheitsbevölkerung von der serbischen Staatsgewalt in menschenrechtswidriger Weise unterdrückt wird und die ihren Willen zur Sezession und einem eventuellen späteren Anschluß an Albanien eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Die historischen Gebietsansprüche der Serben müssen dem Recht auf Heimat der Albaner unzweifelhaft weichen. (...) Die geschlossenen albanischen Siedlungsgebiete im Kosovo grenzen unmittelbar an albanisches Staatsgebiet, so daß ein Anschluß ohne größere Schwierigkeiten möglich ist. Dies gilt im Prinzip auch für die albanischen Siedlungsgebiete in Mazedonien, im Süden Serbiens und in Montenegro.«


Aufzucht junger »Demokraten«

Spätestens an dieser Stelle dürfte deutlich geworden sein, daß die am CAP erarbeiteten »Strategieempfehlungen«, die, wie die BTI-Forschungsgruppe formuliert, der »Beratung von relevanten Transformationsakteuren sowie Außenunterstützungsorganisationen« dienen, den Charakter konkreter Handlungsanleitungen haben: Unter dem Vorwand, das »Selbstbestimmungsrecht der Albaner« zu verteidigen, führte die NATO 1999 Krieg gegen den »Transformationsverweigerer« Jugoslawien; die serbische Provinz Kosovo wurde mittlerweile in eine »Unabhängigkeit« von Gnaden der USA und der EU entlassen. Dabei ist den von Bertelsmann bezahlten und vom CAP beschäftigten Wissenschaftlern durchaus klar, daß »militärisch erzwungene Regimewechsel« - etwa in den Fällen Irak oder Afghanistan - »Probleme« verursachen können, solange die jeweiligen nationalen Eliten nicht in das Projekt der »Transformation« eingebunden sind. Zu diesem Zweck wurden bereits 2003 und 2005 über den BTI »Nachwuchsführungskräfte« und »junge Entscheidungsträger« aus sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern zur Diskussion zusammengeführt; aus ihren Reihen rekrutierten im November 2006 dann die Bertelsmann-Stiftung und die für die staatliche »Entwicklungshilfe« zuständige Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bei einem Treffen in Berlin ein »globales Netzwerk« von »Transformation Thinkers«


Wer hier dazugehören will, muß strenge Auflagen erfüllen: Gefragt sind »junge Führer« unter 45 Jahren, die in ihren Heimatländern als Regierungsmitglieder oder Parlamentarier tätig sind, Nichtregierungsorganisationen, transnational operierende Konzerne oder Medienunternehmen repräsentieren bzw. leitende Funktionen in Universitäten oder tink tanks bekleiden. Ausgewählt wurden unter anderem solch illustre Persönlichkeiten wie Musab Alkateeb, Masood Karokhail oder Lena Mahgoub. Nach dem Einmarsch US-geführter Truppen in den Irak reorganisierte Alkateeb zunächst das dortige Handelsministerium und berät heute im Auftrag der US-Agentur USAID den irakischen Premierminister Nuri Al-Maliki in Wirtschaftsfragen. Karokhail, zuvor Afghanistan-Manager des niederländischen Nahrungsmittelkonzerns Unilever, leitet ein Verbindungsbüro der der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung in der Provinz Paktia, dessen Aufgabe nach eigener Aussage darin besteht, »die afghanische Regierung sowie Entwicklungsorganisationen mit örtlichen Stammesführern in Kontakt (zu) bringen«. Mahgoub schließlich führt die Presse- und PR-Abteilung der Dépendance des britisch-niederländischen Mineralölkonzerns Royal Dutch/Shell im ressourcenreichen Sudan.


Von den »Transformation Thinkers«, die Bertelsmann-Stiftung und GTZ gerne als »Agenten des Wandels« bezeichnen, wird nicht nur erwartet, daß sie sich zum »Leitbild« von »Demokratie und Marktwirtschaft« bekennen, sondern auch, daß sie bestimmte, von den Organisatoren des Netzwerks an sie herangetragene »Aufgaben« in deren Sinne »entscheiden« und regelmäßig über den Fortgang der »Transformation« in ihren Heimatländern berichten. Die Gegenleistung besteht in dem an sie gerichteten Angebot, an jährlich einberufenen mehrtägigen Konferenzen teilzunehmen, wo sie sowohl »strategisches Denken« lernen als auch »Gespräche und Diskussionen mit erfahrenen Reformakteuren« führen können. Als solche gelten Bertelsmann und GTZ unter anderem deutsche Politiker - beim Gründungstreffen der »Transformation Thinkers« referierte der ehemalige Arbeitsminister Walter Riester (SPD) über die besonderen »Herausforderungen« bei der Planung, Einführung und Durchsetzung der »Hartz-Reformen«.


http://www.jungewelt.de/2008/10-30/006.php Agenten des Wandels - Von Peer Heinelt

Heinelt ist Politologe und lebt als freier Autor in Frankfurt am Main

* Siehe bertelsmann-transformation-index.de

[1] Quelle: TOPIC Januar 2008 Bertelsmann-Stiftung in der Kritik