Zur Ernennung von John Bolton als US-Botschafter bei der UNO

d.a. Bei seinem Erscheinen vor dem Foreign Relations Committee des Senats am 11. April liess der von Bush gewählte Bolton die Senatoren wissen, dass die Weltinstitution eine entscheidende Rolle spielen müsse und dass eine solche Rolle Bolton hat sich für seine mitunter unverblümten Kommentare Kritik zugezogen, insbesondere für seine 1994 gemachte Aussage, dass es In den 90er Jahren liess er in Anspielung auf die aufgeblähte Bürokratie der UNO verlauten, dass es nicht den geringsten Unterschied machen würde, wenn der UNO-Sitz in New York 10 Stockwerke weniger hätte.

In seiner einleitenden Erklärung nannte Bolton vier Prioritäten, die er, falls man ihn als US-Botschafter bestätigte, verfolgen würde: Die Stärkung von Institutionen, die die Demokratie und die Freiheit fördern, die Eindämmung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, die Unterstützung des  Kriegs gegen den Terrorismus und den Einsatz bei humanitären Krisen, wie etwa die Bekämpfung der Ausbreitung von AIDS.
 
Bolton legte dar, dass sich sowohl Bush als auch Condoleezza Rice der Sache der UNO verpflichtet fühlten, dass diese jedoch reformiert werden müsste, damit  ihre Autorität nicht durch Skandale unterminiert würde. Er sagte ferner: <Die UNO muss in ihrem Bestreben, die Träume und Hoffnungen sowie die Ziele ihrer ursprünglichen Versprechungen zu erfüllen, heute mehr als je zuvor eine entscheidende Rolle spielen, um die kommenden Generationen vor der Geissel des Krieges zu retten, den Glauben an fundamentale menschliche Rechte zu stärken, den sozialen Fortschritt zu fördern und den Lebensstandard im Rahmen grösserer Freiheit zu verbessern. Ausschlaggebend bei diesen Bemühungen sei die amerikanische Führung in der UNO sowie die breite Unterstützung von Seiten der beiden US-Parteien und der amerikanischen Öffentlichkeit.> Der Vorsitzende des Komitees, Senator Richard Lugar, meinte, dass Boltons harte Sprache genau das sein könnte, was die UNO brauche.  <Der nächste US-Botschafter bei der UNO muss die Reformen verfolgen, ohne dass er dabei die Effektivität der zentralen Aufgabe seiner diplomatischen Mission mindert, die darin besteht, eine grössere internationale Unterstützung für die nationale Sicherheit der USA und ihre aussenpolitischen Ziele zu sichern.> Der Senator Joseph Biden hingegen erklärte, dass er in Bezug auf Boltons Ernennung schwere Bedenken habe. Er habe zwar Achtung vor dessen Fähigkeiten und  intellektuellen Leistungen, stelle jedoch sein Urteilsvermögen und sein Temperament infrage. Biden meinte, dass die USA in New York eine starke Stimme brauche, welche die Reformagenda der USA voranbringen könne. Aber, sagte er, wir brauchen keine Stimme, bei der die Leute womöglich keine Lust haben, dieser zuzuhören. Er kenne Boltons Ruf und dessen Reputation sei in der UNO wohlbekannt, so dass er fürchte, dass die UNO-Mitglieder eher dazu neigen würden, Boltons Stimme auszublenden.
 
Betrachtet man die Aussagen im einzelnen, so wird klar, dass es hier erneut um nichts  anderes als um die Vormachtstellung der USA und die Wahrung der US-Interessen geht. Die Behauptung Boltons, dass die UNO der Führung der USA bedürfe, zeigt den alten Zynismus, mit der Mitglieder des Washington Establishments zu Werke gehen. Kein Gedanke daran, dass sich zahlreiche UNO-Mitglieder dieser Führungsmacht, die sich nicht scheute, den Irak in Schutt und Asche zu legen, was in einen blutigen Widerstand mündete, erwehren könnten. Die als Priorität gesetzte Stärkung von Institutionen, die die Demokratie und die Freiheit fördern, lässt sich nur als eine einzige Heuchelei betrachten, denn eine Selbsttäuschung kann man Bolton nicht abnehmen. Bislang hat die USA nirgendwo unter Beweis gestellt, dass sie in den Ländern, in denen sie sich einzugreifen anmasste, eine auf einer echten Demokratie basierende Grundlage errichtet hätte. Sie verliess sich vielmehr wo immer möglich auf  Despoten, korrupte Oligarchen und fügsame Politiker. Drohten Rebellionen von unten, welche die willfährigen Regierungen  gefährdeten, so waren US-Truppen resp. die Marines zur Stelle, um gegebenenfalls Krieg zu führen. Auf seinem Rückweg vom Weltwirtschaftsforum Davos im Januar 2004 hatte Dick Cheney bei seinem Freund Silvio Berlusconi in Rom Station gemacht. Mit Blick auf die EU-NATO-Staaten forderte er alle zivilisierten Führer Europas auf, der USA zu helfen, den Ländern des Mittleren Ostens Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu bringen. Wie dies je nach Lage zu bewerkstelligen wäre, konnte man von Berlusconi bereits Anfang Dezember 2003 vernehmen, als er seine Bundesgenossen in der EU beschwor,  <in Zukunft als Exporteure von Demokratie und Freiheit in der ganzen Welt zu intervenieren.>  In Fällen wie der Irak müsste die <Gemeinschaft auch bereit sein, Gewalt anzuwenden.>* Damit dürfte er sich nahtlos in die Linie der von der USA praktizierten Demokratieverbreitung einfügen.
 
Die Libanonpläne der USA, die nicht nur die US-Besetzung des Landes, sondern auch die Direktherrschaft Washingtons im Libanon anstreben, sowie die anhaltenden Drohungen gegen den Iran, widerlegen Boltons Aussagen klar. Im übrigen hat Washington regelmässig seine nationalen Sicherheitsinteressen über demokratische Prinzipien gestellt und zur Festigung autokratischer Regimes in der islamischen Welt beigetragen. Gegen diese Saat wenden sich heute die mittlerweile politisch erwachten Bevölkerungen der arabischen Länder, was nicht ohne Aufruhr bleibt.
 
Es deutet somit alles darauf hin, dass das US-Establishment nicht davon abzugehen gewillt ist, im Fahrwasser der üblichen Lügen zu bleiben, in dem sich offenbar auch Tony Blair befindet, da er bei seinem  Blitzbesuch in Bagdad am 21.12. 04 erklärte, dass er gekommen sei, <um eine Lanze für die Demokratie zu brechen.> Der einzige Unterschied dürfte inzwischen der sein, dass es Bolton schwer haben wird, abgesehen von der NATO noch länger Verbündete für die unter der Tarnung der Demokratieverbreitung laufenden US-Aggressionen zu finden. Laut Résau Voltaire ** äusserte sich der Rabbiner Dov S. Zakheim, dem vormals die Finanzkontrolle im Pentagon oblag, offen in der Los Angles Times. Er sagte, dass die USA im Nahen Osten zwar Demokratien anstrebe, aber eben nicht irgenwelche, sondern ausschliesslich  solche, die Vorteile für sie brächten. Seiner Auffassung nach zieht sich dies wahrscheinlich über ein Jahrhundert von Kriegen hin. 
 
Völlig absurd wird es, wenn Bolton erklärt, dass die zentrale Rolle der UNO auch darin bestehe, die kommenden Generationen vor der Geissel des Krieges zu retten. Dies, wohlbemerkt, unter der Leitung der USA. Unter deren Führung dürfte sich mit tödlicher Sicherheit genau das Umgekehrte ereignen, nämlich gerade die Verstrickung der künftigen Generationen in endlose Kriege. Die von ihm ebenfalls zitierten Menschenrechte seien hier nur am Rande gestreift, da diese in den Augen der Grossmächte, wenn sie ihre geopolitischen Interessen behinderten, noch immer reine Makulatur waren. Das zeigt der Sudan bis zur Stunde. Und die WTO ihrerseits wird auch in Zukunft  nicht etwa auf die Verbesserung des Lebensstandards in grösserer Freiheit abzielen, sondern im Rahmen erzwungener Liberalisierungen und Privatisierungen weiterhin auf Profit. Wie schrieb doch Bruno Bandulet: Moral und Hypermoral bilden immer nur die Verpackung, nie den Inhalt der amerikanischen Weltpolitik.
 
 
Quelle: CNN-Nachrichten vom 11.4.05
* Unsere Welt  1 / März 2004  Rainer Rupp
** http://www.reseauvoltaire.net/rubrique1024.html?id_rubrique=1024
Tribunes libres internationales vom 28. 2. 05